Mittwoch, 10. Februar 2016

Barbie 2.0 : Vom Ideal- zum Realtyp oder etwa doch nicht ?



Die wenn ich mich richtig erinnere schwedische Combo Aqua landete 1997 mit dem bezeichnenden Titel Barbie Girl ihren ersten und glücklicherweise auch einzigen Hit. In diesem damaligen Gassenhauer wird das (gespielte) Leben einer Barbie Puppe textlich recht trefflich zusammengefasst : „Ich bin ein Barbie-Girl in einer Barbie-Welt. Ein Leben in Plastik, das ist fantastisch. Du kannst mein Haar bürsten, mich überall ausziehen - Fantasie, das Leben ist deine Schöpfung“. Im Refrain des Liedes kommt Barbie dann auch zu einer recht kritischen Einschätzung ihrer selbst :“Ich bin eine blonde Tussi in einer Fantasiewelt. Kleid' mich ein, möglichst eng, ich bin dein Püppchen!.

Prägnanter kann man die Eigenschaften der 1959 von dem amerikanischen Spielzeughersteller Mattel geschaffenen Puppe wahrscheinlich nicht zusammenfassen. Mit ihren idealtypischen und der Gesundheit eher weniger förderlichen Maßen von 96 – 45 – 86 (Riesen Euter bei Wespen Taille) bei einer geschätzten Körpergröße von 170 cm stellte sie über Jahrzehnte für Generationen von Mädchen in der 1.Welt den ersten Einstieg – im Durchschnitt erhält ein deutsches Mädchen mit 3 Jahren seine erste Barbie - in die Welt der durch die Industrie vorgegeben Schönheit Ideale dar. Besonders von feministischer Seite wurde die ungesunde Körperlichkeit der Mattel Puppen zwar bereits früh kritisiert. Trotz aller in den letzten Jahrzehnten zweifelsohne stattgefundenen Modifikationen – bereits in den 70er Jahren gab es beispielsweise Barbie Puppen in den damals noch eher Männern vorenthaltenen Berufsfeldern wie beispielsweise Arzt zu kaufen - , ließ der Hersteller die unrealistischen Grundmaße der Puppe lange unverändert.

Was aber alle feministische Hysterie nicht zu bewirken vermag, schaffen die Kräfte der Marktwirtschaft. Der Absatz von Barbie Puppen ging nämlich die letzten Jahre gehörig in den Keller. Besonders der erhoffte Absatz auf dem fernöstlichen Markt blieb weitgehend aus. Höchste Zeit für Mattel, ihr Aushänge Produkt zu modernisieren und einer heterogener gewordenen multioptionalen , gleichzeitig individualisierten gesellschaftlichen Umwelt anzupassen.
Der Esstörungen nicht abgeneigte Grundtypus – wir erinnern uns : Russ Meyer Brüste bei nicht vorhandener Taille – wurde Anfang Jahres folglich um drei weitere Barbie Typen erweitert. Und zwar um eine kurvige, zierliche und eine von fast Giraffen artigem Körperwuchs. Mattel treibt die funktionale Differenzierung seiner Puppen Welt aber noch ein beachtliches Stück weiter. Bei jeder der Grundtypen kann fortan aus 24 Frisuren, 22 Augenfarben und 7 Hauttypen gewählt werden.

Das Auswahl Dilemma der Moderne fortan also bereits im Vorschulalter : rein theoretisch kann jede Nachwuchs Prinzessin zukünftig aus 3696 unterschiedlichen Puppen wählen !
Quantitativ für die meisten 3.jährigen samt ihrer Helikopter Mütter eine erste spielerische Annäherung an die Auswahl Problematik der modernen Welt. Welche bei der ein oder anderen Nachwuchs Prinzessin wahrscheinlich bei „Ich kann mich nicht entscheiden“ Schreikrämpfen enden werden ! Ein paar weniger Wahlmöglichkeiten wären bei den neuen Barbie Typen eventuell nicht verkehrt gewesen !

Qualitativ werden zumindest radikal Feministen von den neuen Barbie Körpertypen eher enttäuscht sein. Ein tatsächliches Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit findet man nämlich nach wie vor vergeblich. Kurvig heißt hier nämlich keinesfalls füllig – für die meisten empirisch tatsächlich vorkommenden Frauen bleibt auch die Körperlichkeit der neuen Barbies ein beinahe unerfüllbarer Traum.
Auch die Barbie 2.16 bleibt äußerlich selbstredend körperlich idealtypisch makellos : perfekt geschminkt, ewig lächelnd und bis in die Haarspitzen gepflegte Haare. Zahnlücken, Hautunreinheiten oder kleinere Handicaps wie Brille etc. sucht Prinzessin bei jeder der 3696 theoretisch denkbaren Puppen vergeblich ! Geschweige den eine Barbie im Rollstuhl !
Mattel hat sein Produkt Sortiment eher um weitere Idealtypen erweitert – ein tatsächliches Abbild gesellschaftlicher Wirklichkeit stellen auch die Neu Kreationen 2016 nur teilweise dar.

Bleibt natürlich die Frage zu klären, ob die radikale Einlösung einer derartigen real typischen Abbildung den überhaupt sinnvoll wäre. Spielwaren wie Barbie Puppen haben letztlich die Aufgabe, 3 – 10 jährige Kinder spielerisch auf die Welt der Erwachsenen vorzubereiten. Eine Welt, welche trotz aller geglaubten Individualität – so schrecklich groß ist die Zahl der gesellschaftlich tolerierten Sein Entwürfe letztlich nicht - und vorgegaukelter Toleranz eher von äußerlichen Schein als von innerlichem Sein geprägt ist. Auf diese Welt bereiten die 3696 Barbie Puppen nahezu perfekt vor – zumindest die Körper Optimierungsindustrie von Kosmetik bis Fitness sollte Mattel eigentlich auf ewig dankbar sein.
Insofern ist Mattels Struktur konservative Produktdifferenzierung also durchaus begrüßenswert – Barbie Prinzessinnen von heute frohlocken recht wahrscheinlich in 20 Jahren den ich bin es mir Wert Handlungsimperativen der Kosmetik Industrie.
Real typische Barbie Puppen wären hierfür wahrscheinlich nur bedingt geeignet. 

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