Samstag, 15. November 2014

C64 – All Stars Vol. 09 : Maniac Mansion und der Hamster.

Die Zeit vor Maniac Mansion.



Adventures waren auf den damals verbreiteten Heimcomputer Systemen wie Apple 2 oder C64 bis Mitte der 80er Jahre eine nicht wirklich benutzerfreundliche Angelegenheit. Die Kommunikation zwischen Spieler und Spiel fand nämlich typischerweise über einen sogenannten Text Parser statt. Anweisungen an die Spielfigur wurden hierbei in natürlicher, oftmals recht Kleinkind naher Sprache über die Tastatur eingegeben und vom jeweiligen Spiel anschließend entsprechend interpretiert. Anweisungen wie „Gehe Westen“ oder „Nimm Zaubertrank“ gehörten damals zum typischen Alltag eines Computer Spielers. Glückssache, wenn dann das jeweilige Spiel die erteilten Befehle überhaupt verstand. Deren Wortschatz glich nämlich in vielen Fällen dem eines Hauptschulabbrechers aus einem Berliner Problembezirk. Derartige Verständnisprobleme führten damals bei vielen Spielern regelmäßig zu wahren Verzweiflung Attacken.
Selbst die inhaltlich teilweise hervorragenden Adventures der amerikanischen Softwareschmiede Infocom – der eine oder andere ältere Leser mag sich sich noch an die Zork oder per Anhalter durch die Galaxis Reihe erinnern - krankten noch an dieser Symptomatik. Trotz deutlich verbessertem Textparser, welcher zumindest eine annähernd umgangssprachliche und auch komplexere Befehlseingabe verstand, war auch hier noch die Kommunikation zwischen Spiel und Spieler eine arg mühselige Angelegenheit.
Es gab zwar bereits Anfang der 80er Jahre Adventures , welche Grafiken als integratives Element in das Spiel integrierten. Anfangs zumeist, um Text zu sparen und a biserl Atmosphäre zu erzeugen. Ein grafisch dargestellter Druide musste beispielsweise textlich nicht weiter beschrieben werden. Von einer oder mehreren Spielfiguren, welche man tatsächlich per Eingabegerät (Tastatur, Joystick) durch die jeweilige virtuelle Welt steuern kann, war man zu diesen Zeiten noch entfernter als Borussia Dortmund momentan von der Meisterschaft. Selbst das 1984 erschienene und auch heute noch spielenswerte Kings Quest von Sierra brachte diesbezüglich keinen entscheidenden Durchbruch und blieb weitgehend auf dem Niveau des bereits erreichten. Zwar ließ sich die Spielfigur bereits per Tastatur durch die grafisch ganz passabel dargestellte Spielwelt steuern und war somit das erste Adventure, welches die Bezeichnug Point an Click zumindest teilweise verdient. Die tatsächliche Befehlseingabe fand allerdings auch hier über einen durchschnittlich intelligentem Text Parser statt.
Musikalische Untermalung oder Geräusch Effekte konnte man bis Mitte der 80er Jahre bei Adventures zumeist mit der Lupe suchen. Selbiges galt für Animationen. Die Präsentation und Darstellung orientierte sich – positiv interpretiert – eher an dem Medium Buch. Der Film und seine spezifischen erzählerischen Möglichkeiten spielte damals bei der Spielgestaltung noch keine große Rolle.
Formal gesehen waren Adventures in der vor Maniac Mansion Ära sehr umständlich zu bedienen und zumeist eher Benutzer unfreundlich aufgebaut. Die Befehlseingabe per Text Parser ein sprachlicher Offenbarungseid und die Integration von Grafiken lediglich schmückendes Beiwerk. Filmische Mittel wie Geräusche, Animationen oder Zwischensequenzen kamen kaum vor und der Spielspaß blieb in dieser Frühphase trotz aller teilweise durchaus vorhandenen inhaltlichen Brilianz auf der Strecke. Wenig verwunderlich, das Adventures die breite Masse der Heimcomputer Besitzer Anfangs kaum erreichten. Ein Nischenprodukt für Freaks. Durchaus auch bedingt durch die inhaltlich starke Ausrichtung auf das Genre Fantasy und „ versofteter “ Roman bei vielen Titeln.

Maniac Mansion : zum ersten Mal eine grafische Benutzeroberfläche.

1987 war für das Adventure Genre ein einschneidendes und paradigmatisches Jahr. Der Publischer Lucasfilm Games veröffentlichte das Jahrhundert Spiel Maniac Mansion für den C64, welches formal wie inhaltlich viele auch heute noch nachwirkende Neuerungen implementierte.
Als erstes Spiel seiner Art konnte es nämlich weitgehend ohne Tastatur gesteuert werden ! Der Hersteller entwickelte zur Realisierung diesen Titel eigens eine Software (SCUMM) , welche es erlaubt, die Spielfigur und deren Handlungen alleine per Joystick (damals zumeist ein Competition Pro) und / oder Maus zu steuern.
Formal betrachtet, ist der Bildschirm bei Maniac Mansion dreigeteilt.
Der größte Teil des Bildschirmes – etwa 2 / 3 - wird durch den jeweiligen Ausschnitt der Spielewelt eingenommen, durch welche sich die gewählte Spielfigur per Joystick lenken lässt. Dargestelt ist das Ganze in einer seitlichen 2 D Darstellung. Die handlungsrelevanten Elemente sind in diesem Bildschirm Ausschnitt prinzipiell immer anklickbar.
Unterhalb von diesem findet sich eine Liste mit Verben (gehe zu, nehmen etc), mit Hilfe derer mit der Umgebung interagiert werden kann. Dies geschieht per einfachem anklicken. Alle Verben können mit den grafisch dargestellten und vom Spieler aufnehmbaren Gegenständen kombiniert werden (beispielsweise Gehe zu - > Kühlschrank) . Die aufgenommenen Dinge erscheinen dann im unterhalb der Verben dargestellten Inventar der Spielfigur.
Eines der ersten Adventure Spiele, welches mit einem grafischen Parser ausgestattet ist und ausschließlich mit Curser und Joystick bedient werden kann !! Für nach 2000 sozialisierte Computer Spieler eine unhinterfragte Selbstverständlichkeit; damals aber eine formale Revolution mit immer noch nachwirkenden Auswirkungen. Das Genre wurde endlich Massen kompatibel . Maniac Mansion verkaufte sich für damalige Verhältnisse gigantisch und war auf jedem spät 80er Pausenhof ein Dauer Thema unter den im Schatten der Atombombe aufwachsenden Jugendlichen.

Maniac Mansion : Die Story.

Für diesen gigantischen Erfolg waren natürlich auch inhaltliche Aspekte verantwortlich. Endlich ein Spiel, welches sich selbst ironisch auf die Schippe nahm und sich als gelungene Parodie auf die damals populären Mad Scientists Filme im Teenager Gewand (Zurück in die Zukunft und so weiter, und so fort) begreifen lässt.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der in einer riesigen Villa lebende Dr. Fred – ein Allgemein Mediziner im Ruhestand – welcher im Laufe der Jahre zum verrückten Wissenschaftler mutierte. Verrücktheit ist natürlich eine arg relative Kategorie, gehört in unseren Tagen fast schon zum guten Ton und ist allerdings bei diesem nach Weltherrschaft strebenden Mediziner alleine aus Gründen der Fremdgefährdung zweifelsfrei gegeben. Er entführt zur Durchführung seiner gar schauerlichen wissenschaftlichen Experimente nämlich bevorzugt junge Menschen wie die adrette Cheerleaderin Sandy. Er möchte dieser nämlich gerne den Kopf amputieren (ob es hier überhaupt viel zu amputieren gibt, steht noch auf einem anderen Blatt). Im Keller seines Anwesens hat er hierfür extra ein riesiges Labor errichtet. Unterstützt wird er hierbei von der ebenfalls in dem Anwesen lebenden Krankenschwester Edna, „eine ehemalige professionelle Pflegerin, deren Hobbies sogar einen Seemann erröten lassen würden“. Nämlich beispielsweise sexuelle Stimulanz via Telefon (vgl hierzu die dem Artikel beigefügten Bilder).
Daneben leben in dem Haus noch zwei ausgewachsene Tentakel als Haustiere. Abgerundet wird die schauerliche Wohngemeinschaft durch Ed, einem verhaltensauffälligen Jugendlichen mit besonderer Affinität zu der Tierart Hamster (was macht der Hamster den in der Mikrowelle ? ). Ed ist der Sohn von Dr, Fred und würde heutzutage wohl ADHS diagnostiziert bekommen.
Wie es sich für eine amerikanische Cheerleaderin geziemt, hat Sandy natürlich einen smarten Boy Friend. Nämlich Dave. Diesem ist die Entführung seiner Holden nicht entgangen und folglich macht er sich sogleich daran, diese aus den Fängen von Dr. Fred zu befreien.

Maniac Mansion : Die Charaktere.

Dem Spieler übernimmt im folgenden die Rolle von Dave und zwei seiner im Vorspann frei wählbarer Freunde, welchen ihn bei der Befreiungsaktion unterstützen. Hierbei stehen insgesamt 5 Charaktere zur Verfügung, welche idealtypisch fast sämtliche Klischees der damaligen ( amerikanischen ) Jugendkultur ironisch überspitzt abdecken :
Jeff, ein blonder durchtrainierter Jüngling mit Spitznamen „Surfer Dude“. Wie der Namen schon vermuten lässt, hängt dieser normalerweise mit Surfbrett, Bierdose und Ghettoblaster Mädels bezierzend am Strand herum.
Razor, die im schwarzen Leder Mini bekleidete Sängerin der Punk Combo „Razor and the Scummettes“.
Natürlich darf auch der begnadete Nachwuchswissenschaftler (heute würde man ihn wohl mit Nerd typisieren) nicht fehlen. Nämlich in Person von Bernhard, dem Präsident des Phisik Clubes und Gewinner des Eierkopf Preises.
Wendy ist eine ewig auf den Durchbruch wartende Nachwuchs Schriftstellerin.
Michael der Photograph der Schülerzeitung.
Wäre noch Syd zu nennen; ein junger Musiker mit Berufswunsch New Wave Combo.

Jeder dieser Charaktere hat nun unterschiedliche Fähigkeiten, welche zur Rettung von Sandy beitragen können. Der Lösungsweg des Spieles hängt also immer auch in starkem Umfang von den gewählten Spielfiguren ab. Das der Spieler in einem Spiel mehrere Figuren gleichzeitig zu steuern hat, war eine weitere innovative Neuerung von Maniac Mansion. Der bis dato weitgehend lineare Aufbau von Computer Spielen (Rätsel 1, dann Rätsel 2 usw.) wurde hier mit einem Male beachtlich komplex. Alles schien mit allem in Interaktion zu stehen ! Mit dem Nerd Bernhard im Team gestaltete sich die Rettung beispielsweise gänzlich anders als mit dem Musiker Syd.

Maniac Mansion : Schnittsequenzen.

Mit Maniac Mansion vollzog ein Computerspiel eine bis heute nachwirkende Annäherung an das Medium Film. In dem Spiel spielen nämlich zum ersten Mal Schnittsequenzen eine wichtige handlungsrelevante Rolle. In diesen kurzen animierten Zwischensequenzen werden nämlich stets wichtige und Lösungs relevante Hinweise bezüglich der weiteren Geschichte gegeben. Während dieser Zwischensequenzen kann der Spieler selbst nicht in das Geschehen eingreifen. Die Steuerleiste ist folglich ausgeblendet.
Zum ersten Male hatte der Spieler wirklich das Gefühl, Teil, eines interaktiven Filmes zu sein ! Das heutzutage gerne kontrastierte Verschmelzen von Film und Computerspiel nahm hier seinen Anfang. Vieles, was später als angebliche Innovation gehyped (interaktiver Film etc. ) wurde, war bei diesem 1987 Kracher bereits in großen Teilen aus buchstabiert.

Maniac Mansion : Die grafische Darstellung.

Die grafische Darstellung auf dem C64 war bereits 1987 eher nur der gehobenen Mittelkasse zuzuordnen und mutet heutzutage natürlich etwas antiquiert an. In seitlicher 2D Darstellung bewegen sich die handelnden Protagonisten durch einen doch a biserl arg ruckelnd scrollenden Bildschirm. Gerade das Scrolling wäre durchaus auch bereits damals sauberer zu programmieren gewesen ! Ansonsten ist die gezeigte Spielwelt durchaus nett anzuschauen . Der Cartoon hafte Stil wirkt systembedingt natürlich etwas pixelig (die maximale Bildschirmauflösung des C64 beträgt gerade einmal 320 x 200) und hätte auch auf dem Brotkasten ein paar Farben mehr vertragen können; passt aber sehr gut zur humoristisch ironischen Grundausrichtung des Spieles.

Maniac Mansion : Musik und Soundeffekte.

Geräusche und Soundeffekte wurden sehr gekonnt in das Spiel integriert.Göttlich das Geräusch der Toilettenspülung ! Der Atmosphäre immens zuträglich, wenn in einer Zwischensequenz dargestellte Grillen tatsächlich zu zirpen beginnen ! Hier haben die Macher wahrlich ganze Arbeit geleistet – teilweise wahrlich ein Ohrenschmaus !
Die Musik klingt für C64 Verhältnisse mitunter zwar a biserl blechern; gleichwohl unterstreicht sie aber stets hervorragend das momentane Spielgeschehen. Musik und Spielgeschehen bilden hier eine gelungene Symbiose. Das eine steht mit dem anderen im Einklang – ein Sachverhalt, an welchem sich viele moderne Vertreter ein Beispiel nehmen sollten. Oftmals ist hier die musikalische Untermalung nämlich reiner Selbstzweck und geht kaum auf das Spielgeschehen ein !

Maniac Mansion : Auf dem heimischen PC.

Wer sich selbst einmal ein Bild von Maniac Mansion machen möchte und keinen C64 zur Verfügung hat, besitzt mehrere Möglichkeiten.
Die einfache passive Variante wäre sich eines der zahlreichen Youtube Vidos zu Gemüte zu führen (beispielsweise : https://www.youtube.com/watch?v=C0pZabKM0DU ) und andere beim Durchspielen zu beobachten. Hier bringt man sich aber selbst um den Spielspaß und bekommt zudem meistens nur eine Lösungsvariante präsentiert.
Aufgrund seines Erfolges wurde das Spiel im Laufe der Zeit für alle möglichen Systeme adaptiert. Unter anderem auch für den PC. Bis auf die hier etwas bunteren Farben und den deutlich schlechteren Sound (die Version wurde Anfang der 90er Jahre programmiert) ist diese Version dem C64 Original recht ähnlich und inzwischen Freeware. Beispielsweise unter http://www.chip.de/downloads/Maniac-Mansion-Deluxe_13013383.html kann diese kostenlos heruntergeladen werden und läuft auf jedem auch schwächer bestückten PC. Nicht nur für jeden Retro Begeisterten ein lohnender Spielspass !!
Natürlich kann das Spiel auch via Emulator am heimischen PC gespielt werden. Es existieren zahlreiche leistungsstarke C64 Emulatoren . Bei Interesse einfach einmal die Begriffe C64 + Emulator in die Suchmaschine mit dem g eintippen. Rasch wird man zu dem gewünschten Inhalt gelangen.

Maniac Mansion : Werks Rezeption.

Während die allermeisten Computer Spiele bereits einige Wochen nach Erscheinen angestaubt in den Regalen verenden, erfährt Maniac Mansion auch fast 30 Jahre nach Erscheinen eine beachtliche Rezeption in Fankreisen. Unter anderem auf der Internetseite maniac-mansion-mania.de, wo interessierte User die Möglichkeit haben, spielbare Neuepisoden – inzwischen bereits über 50 Stück ! - für das Spiel zu entwickeln und vorzustellen.
Es wird von einigen Fans sogar seit Jahren versucht, eine 3D Version des Adventures – Meteor Mess 3D- auf die Beine zu stellen. Wer möchte kann sich unter www.meteormess.de über den diesbezüglichen Stand der Dinge informieren.

Maniac Mansion : Verfilmung.

Während bis Mitte der 80er Jahre erfolgreiche Kinofilme zumeist zu mehr oder weniger suboptimalen Computer Spiele Umsetzungen (Rambo, Allien etc) geführt hatten, erfolgte bei Maniac Mansion zum ersten Mal in der Geschichte der Schritt in die umgekehrte Richtung.
Ein Computer Spiel wurde verfilmt ! Und zwar in Form einer kanadischen Familien Science Fiction Sitcom aus dem Jahre 1990, von welcher immerhin 3 Staffeln mit 66 Folgen produziert wurden. Besagte Serie schaffte es 1991 sogar auf die bundesdeutschen TV Bildschirme und konnte unter anderem auf Tele5 und Kabel 1 begutachtet werden.
Der teils doch recht schwarze Humor und die verschiedenen sexuellen Anspielungen des Computer Spieles mussten in der Fernsehserie allerdings harmlosen familienfreundlichen Gags weichen.

Maniac Mansion : Zusammenfassende Kritik.

Durch seine benutzerfreundliche grafische Oberfläche machte Maniac Mansion das Adventure Genre Massen kompatibel. In seiner Präsentation (Zwischensequenzen) gelang dem Spiel zum ersten Mal in der Geschichte eine wirklich gelungene Annäherung an das Medium Film. Der schwarze Humor von Maniac Mansion (explodierender Hamster in der Mikrowelle etc ) ist noch heute legendär und wird manigfach in der Popkultur zitiert. Und am wichtigsten : das Spiel macht einfach Spaß. Eine wahrlich gelungene Parodie auf B – Movie Horror Filme ! Selbstmurmelnd 5 von 5 Punkte !

Artikel bei ciao.de bewerten ? hier klicken


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen