Sonntag, 1. Dezember 2013
Chorus 4 oder Unzufriedenheit ist aller Taten Anfang (4)
So viele Häuser auf einen Fleck ! Und überall wohnt wer. Mancherorts brennt sogar noch Licht.
Hardy schreitet relativ zielstrebig des Weges. Er scheint ein bestimmtes Ziel
vor Augen zu haben. Benjamin, sein getreuer Begleiter folgt ihm selbstredend.
Der Nager schläft während dessen den nimmer enden wollenden Schlaf des Gerechten.
Oh, du unbedarftes Kerlchen !
Ein schwankender Gesell angelt sich die Häuserfront entlang. Er scheint uns mit
keinem Sinne wahrzunehmen. Sein Nachhauseweg verlangt ganze Anstrengung.
Gevatter Bachus hat von seiner Seele Begriff ergriffen. Der Esel der Trunkenheit
sitzt ihm in dem Genick. So wie bei meinem früheren Stallburchen des öfteren.
Seine Nase funkelt wie eine Mohrrübe im Juli. Seliger, nichtsahnender Trunkenbold
in der Geheimnis verheißenden Nacht!
Am liebsten würde ich ihm ja einen tüchtigen Schreck einjagen. Anschleichen, und dann ein kräftiges Iaaaa. Das wäre lustig. Ob Hardy mit mir wohl böse werden würde?
Der vom Wein beseelte Zechmeister hält inne, kramt ein trotz der Dunkelheit gut erkennnbares,
mit Enten verziertes Feuerzeug aus seinem Hosensack, zündet sich eine Zigarette an,
öffnet seinen Hosen Stall und nässt an die Mauer der Kirche. Eine nie enden wollende
Notdurft! Rinnsäle voller Traubensaft. Aber halt ein – seltsam. Selbiges
Feuerzeug habe ich doch schon gesehen. Das darauf abgebildete Federvieh ist mir
wohlbekannt. Löchrig Eselshirn – lass mich jetzt nicht im Stich.
Grummel, grummel – rauch, rauch – ich habs, ich gaub. Hardy besitzt doch auch so einen
Flammenspender. Ob da wohl ein Geheimnis im Anmarsch ist? Mir wird ganz
unruhig. Meine grauen Ohren kreisen im Dreivierteltakt. Ist es nur Zufall?
Oder lauert hier bereits das erste Abenteuer? Hardy steht neben mir und greift nach seiner Pfeife.
„ Ah, grauer Kamerad, mir scheint es, meine müden Lungen brauchen eine kleine Stärkung“
Sprach es, kramte seinen federviehverzierten Flammenspender aus der Hosentasche und
entfachte sein Rauchglück. Eine Mohrrübe wäre mir jetzt auch nicht unrecht.
Aber das wäre jetzt wohl etwas zu viel des guten.
Der von Gevatter Bachus beseelte Zechmeister wankte zu uns beiden herüber.
„Ah, zwei Fremde in diesem beschaulich Städtchen. Seid gegrüßt, woher ihr auch immer
kommt.“ Die Glut seiner Zigarette flog zu Boden.
„Ach, was ungeschickter Tölpel ich bin. Selbst das Tabak schmauchen will mir nicht gelingen. Da muss wohl noch einmal der Flammenspender heran.“
Sprachs, griff erneut in seine Hosentasche und kramte wiederum das flammen speiende Entenvieh
heraus.“
Mein tapferes Eselsherz begann ganz aufgeregt zu pochen. Gleich muss Hardy das Feuerzeug
sehen. Abenteuer, ick hör dir trapsen. Benjamin, der Esel ist zur Stelle.
Hardy sah, was er sehen sollte, griff ebenfalls in seine Hosentasche und holte – wer hätte es
gedacht – du etwa werter Leser, die gerade an meinem ersten Abenteuer
teilhast? – ebenso sein federviehverziertes Feuerzeug hervor. Dann sagte er
folgendes:
„16 Enten in der Nacht – Das Schicksal hat sie zusammengebracht – Der Wolf, der auf der
Lauer lag – Schon an sein Abendessen gedacht – Doch das Lag nicht in seiner
Macht.“
Die Macht des Weines schien von unserem neuem Bekannten plötzlich abgelassen. Er entgegnete
folgendes:
„16 Enten in grausiger Gefahr – Lupus, hungrig, fürwahr“.
Jetzt war
wieder Hardy an der Reihe. So etwas hatte ich in meinem bisherigen Esels Leben noch nicht erlebt.
„16 Enten hielten zusammen – der Wolf war in seiner eigenen Gier gefangen. Zwei davon
behielten Beulen, doch reichte es aus, um den Widersacher zu vergraulen.“
Hardy umarmte den Fremden, als ob sie sich schon immer kennen. Und der Fremde sprach:
„Seit meine Gäste, solange es euch beliebt. Der Geheimbund der 16 Enten hält zusammen.“
Der verletzte Nager hatte von alledem nichts mitbekommen. Er schlief noch immer selig in
Hardys Rucksack. Keine fünf Minuten später, und wir hatten das Haus des Fremden
erreicht.
Heisa, mein erstes Abenteuer. Das ist schon ein anderes Leben, als den ganzen Tag in einem
kleinen Gatter eingesperrt zu sein.
Man brachte mich auf eine große Wiese hinter dem Haus.
„Grauer, hier kannst du dich heute Nacht zur Ruhe begeben.“ Der Fremde ging in sein Anwesen –
wohl ein Bauernhof – und kam wenig später mit einem Büschel Mohrrüben zurück.
„Hier, sollst heute Nacht auch noch etwas Spaß haben.“
Mir lief das Wasser in meinem nimmer satten Eselsmaul zusammen. Mohrrüben – daran hätte ich
heute nicht mehr im Traum gedacht. Die beiden Männer gingen lachend und schwatzend in das Haus. Hardy rief mir noch folgendes zu :
„Gute Nacht, Eselchen – hoffe, du bist morgen früh noch da. Hier gibt es keine Zäune, die
dich einsperren....
Glücklich und zufrieden schlief ich alsbald ein. Der erste Tag in Freiheit und schon das
erste Abenteuer.....Heisa.....
Am nächsten Morgen wachte ich sehr früh auf. Ungeduld brannte in meiner Seele – Hunger nach
neuen Abenteuern....Meine beiden Freunde schienen noch zu schlafen; im Haus war
es noch ruhig. Ich mache mich über die letzte noch verbliebene Mohrrübe her.
Hardy ist Mitglied im Geheimbund der 16 Enten – wie aufregend.
Noch gestern hätte ich derart wagemutige Dinge noch nicht einmal zu träumen gewagt. Ich bin
ein Esel und neugierig –also schaue ich mich um. Da es noch früh am morgen ist,
fröstelt mich etwas. Aber wozu hat unsereins ein Fell.
Der Himmel ist klar, heute scheint ein schöner Tag zu werden. Bestimmt gibt es wieder neue Abenteuer zu erleben. Hoffentlich stehen meine Freunde vom Geheimbund der 16 Enten bald
auf. Bin ganz neugierig, was es damit auf sich hat.
Die Wiese, auf welcher ich genächtigt hatte, ist riesengroß. Ich tolle etwas herum und spiele „Esel dreh dich im Greis“. Wie immer, wenn derartiges geschieht, wird mir schwindelig.
Aber das ist ja Sinn und Zweck der ganzen Übung.
Benjamin, der Abenteurer, versucht die Wiese zu überblicken. Esel, ist die groß. Iaa, da vorne sehe ich jemanden. Fast am Horizont. Möglicherweise ein neues Abenteuer. Meine Freunde
schlafen immer noch. Wie langweilig. Aber Benjamin ist auf der Hut.
Ein Mädchen. Die vielen Mohrrüben haben mir gute Augen bescherrt. Iaaaa (was soviel
heißt wie jawohl). Das muss ich mir aber doch aus der Nähe anschauen. Dagegen
werden meine Freunde sicher nichts einzuwenden haben. Sie ist nicht allein; ein
struppiger, großer Hund tollt um sie herum.
Meine Esel spezifische Neugierde erwacht. Die Sprache des Hundes ist mir aus besseren Tagen nicht ganz fremd.
Mein armer, alter Freund hat mich in die notwendigen Grundzüge eingeweiht.
Später habe ich auf dem Gehöft dann des öfteren mit dem dortigen Schäferhund
Konversation gehalten. Hunde sind ähnlich wie Pferde relativ einfältige Wesen.
Ihr Horizont reicht zumeist nicht weiter als zur nächsten Belobigung ihres
Herrchens. Ein paar nette Worte – und schon sind sie zufrieden. Da sind wir
Esel aber anders gestrickt. Aber lassen wir das – ein derartiges weites ausschweifen würde die geneigte Leserschaft mit Sicherheit langweilen.
Soweit ich das als nicht Artgenosse beurteilen kann, ist das Mädchen wunderschön. Ihre
dunkelblonden Haare sind durch ein Kopftuch teilweise verdeckt. Der struppige
Hund ist vor Freude außer Rand und Band. Esel merkt ihm an, das er wohl nur
selten derart zum herumtollen kommt. Mir wäre derartiges zu anstrengend. Esel
sind hier besonnener.
Das von der Anstrengung leicht errötete Mädchen schmeißt dem sich immer noch außer sich
befindenden Hund einen kleinen Stock zu. Er stürzt sich darauf wie der Wolf auf
das Federvieh. Mich belustigt derartiger Aktionismus etwas. Die beiden scheinen mich noch gar nicht bemerkt zu haben. So sehr sind sie in ihrer Welt gefangen.
Das Mädchen zündet sich eine Zigarette an. Jetzt bin ich aber neugierig. Was für ein Feuerzeug sie wohl hat? Ob sie wohl auch Mitglied im Geheimbund der 16 Enten ist? Das wäre ja toll.
Aber nein – sie verwendet einen ganz ordinären hellblauen Flammenspender. Das enttäuscht
mich aber etwas. Ihr vierbeiniger Freund hat das Stöcklein inzwischen gefunden.
Im Schweins Galopp kommt er angestiefelt. Sappelott – er springt das arme
Mädchen ja geradezu an. Ts, Ts – das sind aber überhaupt keine guten Umgangsformen. Wirklich nicht. Als wohlerzogener Esel kann man da wirklich nur mit den Ohren wackeln. Das arme Mädchen ist von dem Rüpel geradwegs zu Boden gerissen worden. Ihre noch glimmende Zigarette liegt – vor Schreck aus ihrem anmutigen Mund gefallen – einen halben Meter neben ihr im Gras. Die holde Maid steht ja gar nicht mehr auf – drohnend Unheil liegt in der frühsommerlichen
Luft. Aber Benjamin, der Abenteurer ist bereit... Ihr vormals herzallerliebst errötetes Gesicht ist auf einmal aschfall. Der zottige Hund steht wie angewurzelt neben ihr. Er schnuppert an ihrem ebenmäßigen Gesicht. Die Zigarette lodert immer noch. Eine drohende Feuersbrunst – auch das noch.
Tausend und ein Esel....Benjamin muß etwas unternehmen. Feueriooo...Dem Hund
gehören gehörig die Levithen gelesen. Aber dazu ist jetzt keine Zeit. Ich schaue mir das Mädchen aus der Nähe an. Sie atmet noch.
Die Zigarette hat inzwischen einen ausgetrockneten Grasbüschel entfacht. Benjamin – besonnen
bleiben, besonnen bleiben....Ich versuche, mit meinen Hinterhufen das Feuer
auszuteten. Das tut aber weh. IAAAAA!. Die wunderschöne Maid ist immer noch
nicht zu sich gekommen. Der zottige Vierbeiner ist mir keine große Hilfe – er
stimmt irgend ein Hunde spezifisches Gejaule an (was glaube ich, übersetzt
soviel bedeutet wie – es tut mir ja so leid, das wollte ich doch nicht, es tut
mir ja so leid). Iaaaa, hinterher ist Hund wohl immer schlauer.
Fanfare, zumindest das Feuer ist gelöscht. Schwierig genug. Ich muss Hilfe hohlen. Das
arme Mädchen. Meine Freunde vom Geheimbund der 16 Enten....Schnell... Ich
galopiere zurück zum Haus. Meine Freunde scheinen immer noch zu schlafen. Das
Küchenfenster (nehme ich mahl an) steht auf. Ich strecke meinen Eselskopf
hinein. Sie sitzen beide schlafend und scharchend am Tisch. Zwei leere
Weinflaschen stehen neben ihnen. Das sind den beiden ähnlich. Ich muss sie
schleunigst wecken. Gefahr.. Also – auf die Plätze, Esel, fertig los.....“
„IAAAAAAAAAA (aufwachen, eine liebreizend Maid befindet sich in den Fängen von Schnitter
Tod).
Dann weiter: „Aii (schleunigst, schleunigst).
Das scheint endlich zu wirken. Hardy beginnt sich schlaftrunken die Augen zu reiben.
„Was ist denn, Eselein – laaa einen müden Wanderer doch schlafen...“
Ich gebe keine Ruhe: „AAAIIIAAi (du mußt mitkommen – drohend Gefahr....)
Hardy scheint weiterschlafen zu wollen.
„Später , grauer, später...“
Dann eben anders und lauter: „AAAIIIAAAIIAAAAiiiiAAA
(das bedeutet in der Esel Sprache überhaupt nichts und klingt in des Menchen Ohr
nur lau, hoch und unangenehm).
Aber es wirkt. Hardy begibt sich endlich von seinen Stuhl und folgt mir nach draußen. Keine
Sekunde zu früh. Ich gebe ihm mit meinen Kopf ein Zeichen und deute auf die
Wiese.
Das arme Mädchen liegt noch immer am Boden. Hardy begreift die Situation sofort. Er
weckt unseren Gastgeber. Zu dritt eilen wir zu dem Unglücksort.
Sie ist inzwischen zu sich gekommen – iaaaa.
Zaghaft blinzelt die Maid mit den Augen. Die Orientierung scheint ihr etwas abhanden
gekommen zu sein. Ihr engelhaftes Gesicht füllt sich langsam wieder mit Farbe.
Und sie sprach: „Wo bin ich – wer seid ihr – was ist mit mir geschehen.....?“
Hardy beruhigte sie und erklärte ihr das notwendige.
„Dann bin ich euch ja zu großem Dank verpflichtet – meine Retter...“
Der zweite Tag und schon das zweite Abenteuer. Heisa....
Der Geheimbund der 16 Enten zeigte sich galant: „Gerade dem Schicksal entronnene Maid von sanftem Wesen – würde uns freuen, wenn wir sie in unserem bescheiden Heim zu einem Milchkaffee einladen dürften....“
„Diesem Angebot kann und will ich nicht entsagen. Wohl an...“. Ihre Stimme klang warm
und herzlich. Der zottelige Hund folgte uns mit gesenktem Kopf. Er schämt sich
für deinen Übermut. Armer Kerl. Sein bisheriges Leben war sicherlich nicht leicht.
So gehen wir zu fünft zurück zum Haus.
Der Hausherr baut einen Klapptisch auf und holt aus dem Inneren des Hauses drei Klappstühle.
„Glaub, es ist warm genug, als das wir im Freien frühstücken können. Was meint ihr...?“
Allen anderen schien es nur recht zu sein. Mir brachte er einen Trog Wasser samt einem ganzen
Busch frischer Mohrrüben. Auch der zottige Hund bekam ein tüchtiges Frühstück.
„Hier für dich, wackerer Lebensretter..“
Das schöne Mädchen graulte mich zum Dank.
„Das werde ich dir nie vergessen, Eselchen....“
Hardy kramte in seiner Hosentasche. Er machte mit einem Mal ein feierliches Gesicht.
„Ich glaube,ich spreche im Namen aller Mitglieder des Geheimbundes der 16 Enten, wenn ich
unseren grauen Helden als Mitglied vorschlage...“
Der Hausherr nickte nur mit dem Kopf.
„Soviel Mut und Ritterlichkeit sieht man selten.....“
Hardy legte mir ein an einer Scheife befestigtes Feuerzeug mit 16 Enten um den Hals.
„Jetzt bist du einer von uns....“
Ich konnte mich nicht daran erinnern, mich in meinem Esel Leben jemals so gut gefühlt zu
haben.
Das liebreizende Mädchen trank ihren Milchkaffee und rauchte eine Zigarette.
Niemand sagte etwas. Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Hardy stopfte seine
Pfeife. Alle waren glücklich. Der zottelige Hund, dem längst niemand mehr böse
war, lag neben der geretteten schönen und schlief.
So, werte und
holde Leserschaft – das waren die ersten Abenteuer von dem armen Esel, der
in die weite Welt zog, um sein Glück zu suchen. Noch immer sind viele Fragen
unbeantwortet. Was hat es mit dem Geheimbund der 16 Enten genau auf sich? Wo
ist Benjamins Freund Ernesto? Lebt er überhaupt noch? Wer ist die gerettete
zauberhafte Maid? Hat sie sich von ihrer Ohnmacht gut erholt? Was für eine
Rolle kommt ihr noch zu? Fragen über Fragen......Fragen, die der hoffentlich
immer noch neugierige Leser bald beantwortet sieht wenn es da heißt:
„Der Geheimbund der 16 Enten und Theodor, der traurige Vampir.
Wären wir also bei dem vierten Teil unserer Esels Geschichte. Falls ihr die ersten beiden Teile verpasst habt, könnt ihr sie nachfolgend nachlesen:
Chorus 1 oder Unzufriedenheit ist aller Taten Anfang (1)
http://www.ciao.de/Ihre_Kurzgeschichten_2__Test_8915779
Chorus 2 oder Unzufriedenheit ist aller Taten Anfang (2)
http://www.ciao.de/Texte_die_die_Welt_nicht_braucht__Test_8945852
Chorus 3 oder Unzufriedenheit ist aller Taten Anfang (3)
http://www.ciao.de/Ihre_Fabeln__Test_8962483
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