Samstag, 6. April 2013

Von einem der auszog …. (Teil 1)

Von einem der auszog …. (Teil 1)

Chorus 1 oder Unzufriedenheit ist aller Taten Anfang.

Manchmal ist es schon etwas langweilig, den lieben langen Tag alleine auf einer Wiese zu verbringen.
Immerhin bin ich jetzt schon den dritten Sommer hier. Vielleicht ist es auch
schon der vierte. Wer weiß das so genau. Zeit spielt für mich keine Rolle.
Jedenfalls ist es lange her, daß ich etwas anderes gesehen habe, als besagte,
mit saftigem Gras und lieblich duftenden Kräutern bewachsene Wiese.




Na ja, ich will mich natürlich nicht beklagen. Wenn es mir zu heiß wird, kann ich
immerhin in die kleine Hütte gehen. Dort ist es dann angenehm. Nicht zu hell.
Aber auch nicht ganz dunkel. Genau richtig eben. Zu Essen und zu trinken ist
auch immer genügend da. Sicher, wenn man die Sache so betrachtet, könnte es mir
schlechter gehen. Viel schlechter sogar... Schließlich muß ich auch nicht
arbeiten. Kein Bauschutt, der durch die Gegend befördert werden muß. Kein Holz,
welches aus dem Wald zu ziehen ist. Das ist natürlich angenehm.

Aber trotzdem... Ab und an bekomme ich eben so ein seltsames Gefühl. Langeweile ist
vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Immerhin bekomme ich ja ab und zu
Besuch. Eigentlich fast jeden Tag. Wenn auch nicht für lange. Klar, der alte
Bauer hat ja noch mehr zu tun, als mich zu besuchen. Das weiß ich natürlich. Um
es gleich vorwegzunehmen... ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, daß
ich undankbar wäre. Nein, so etwas läge mir fern. Vielen meiner Artgenossen
geht es sicherlich schlechter. Die können nicht den ganzen Tag in der Sonne
herumliegen und irgendwelchen Gedanken nachhängen. Ja, ja das weiß ich.

Immerhin...der alte Bauer bringt mir ab und zu sogar eine Mohrrübe mit. Da freue ich mich
dann immer. Dann zieht der alte Mann an seiner Pfeife und streichelt mich. Gut
und schön. Dagegen will ich ja nichts sagen. Obwohl... jeden Tag eine Mohrrübe
wäre natürlich schon angebrachter. Aber das ist es gar nicht....wie gesagt,
eigentlich mag ich den alten Bauer. Bis er anfängt, mit mir zu sprechen. Das
ist äußerst komisch. Man muß allerdings noch dazusagen, daß er nur mit mir auf
diese bestimmte Art und Weise spricht. Das weiß ich daher, da seine Frau gelegentlich
mitkommt, wenn er mir täglich Futter oder ab und an eine Mohrrübe bringt. Mit
ihr redet der alte Bauer in kompletten Sätzen... Er nennt mich übrigens
Barnabas. Bar-na-bas...Das muß man sich einmal vorstellen. Wo ich doch
eigentlich Bennjamin heiße. Aber ich will jetzt nicht abgleiten....Wo bin ich
noch gleich stehengeblieben? Ach richtig....Die an mich gerichteten Monologe
meines Herren. Ein kleines Beispiel gefällig? Gestern erst passiert. Aber halt,
ich muß erst kurz nachdenken....Die viele Sonne tut mir nicht gut...Ja
genau...So war es....

" Iaaaa,
Barnabas, feine Mohrübe fürs kleine Eselchen..."

Das muß man sich vorstellen; mit diesem Zuruf wurde ich gestern aus meinem Mittagschlaf
geweckt. Nennt er mich doch tatsächlich kleines Eselschen, wo ich doch schon
fünf Jahre alt und längst erwachsen bin. Und dann dieses furchbar langgezogene
und äußerst durchdringende "Iaaa". Ich möchte wetten, der alte Bauer
weiß überhaupt nicht, was dieser Ausruf in meiner Sprache bedeutet. Na ja,
woher soll er auch. Hätte er es aber gewußt, würde sich mein Herr jetzt
schämen. Da bin ich mir ganz sicher. Warum, höre ich den geneigten, zur
Neugierde neigenden Leser fragen? Nun, hier nur soviel... dieses gerade eben
zitierte "Iaaa" läuft auf eine ziemlich eindeutige und grundsätzlich
der Fortpflanung dienende Willensbekundung heraus. Ein Esel meiner Herkunft
drückt sich normalerweise etwas weniger vulgär aus...Ja, wenn der alte Bauer
das wüßte... Eigentlich ganz unterhaltsam...

Auf diese Art
und Weise bin ich also gestern geweckt worden. Und das bei einer Hitze, die
ihresgleichen sucht. Schlimm, schlimm... Lauter kleine Fliegen sind mir um den
Kopf geschwirrt. Ziemlich lästig, diese heißen Sommer. Andererseits... Ach egal.
Jedenfalls ließ mich die Aussicht auf eine saftige Mohrrübe meine  Müdigkeit schnell vergessen. Ich trottete also zu meinem Wohltäter. Der stand an dem inzwischen wieder verschlossenen Gatter Eingang. Der alte Barnabas, respektive Benjamin soll ja nicht
davonlaufen!

In der rechten
Hand hielt der alte Bauer seine obligatorische Pfeife; in der linken ein mich
immer wieder in Verzückung bringender Leckerbissen. Dann redete der alte Bauer
weiter...

"Mein schlappohriger Freund, feini feini....". Sein sonnengegärbtes Gesicht
strahlte. Er streckte mir die Mohrrübe entgegen und wedelte mit ihr in der
Luft. Nicht ruckartig; ganz sachte. Denkt wohl, ich wäre nicht ganz bei Sinnen.
Unser eines hat ja bekanntermaßen ein dickes Fell...

"Na grauer, Eselsche,  schon auf mich gewartet?"

Ja, was soll man da erwiedern? Er versteht meine Sprache ja doch nicht...Außerdem, das mit
dem schlappohrigen Freund war nicht gerade nett. Ziemlich unsensibel...Ja
sicher, Esel haben nun einmal lange Ohren. Daran ist nicht zu rütteln. Aber
gleich Schlappohren? Vor allem ich? Er sollte eigentlich wissen, das ich aus
gutem Hause stamme. Ein Zuchttier....Jawohl. Und Zuchttiere haben keine
Schlappohren. Aber ich will nicht kleinlich sein. Der alte Mann hat das sicher
nicht so gemeint. Außerdem hat er mir ja etwas feines mitgebracht. Das darf man
schließlich nicht außer acht lassen. Ich bin schließlich auch nur ein Esel. So
erscheint es mir schließlich am vernünftigsten, auf den alten Mann zuzugehen
und ihm ein freudiges Bariton "Iahah iaa ihaa" zuzuschmettern.
Übersetzt in die Menschensprache, bedeutet das ungefähr "Oh, welch
leckeres Gemüse sie mit sich herumtragen. Vortrefflich wird es munden".

Klar, ich weiß schon... Das ganze klingt ziemlich hochgestochen. Aber manchmal macht mir
einfach Spaß, auf diese Art zu reden. Außerdem komme ich schließlich aus gutem
Hause. Im Grunde ist meine Rethorik aber völlig irrelevant; der alte Bauer
versteht mich ja sowie so nicht. Hauptsache, meine Stimme klingt
freundlich...Inhaltlich wird von uns Eseln sowie so nichts erwartet. Wir sind
ja störrisch und dumm. Ganz im Gegensatz zu unseren ach so intelligenten
Artverwandten; den Pferden. Welch kultivierte Zeitgenossen! Lächerlich ist
das...Jawohl, lächerlich. Da kann ich mich doch immer wieder auf das neue
aufregen! Doch weiter in dem Text...der alte Bauer mit der schmackhaften
Mohrrübe, Teil 2. Oh, wie ist mir gestern das Wasser im Maul zusammengelaufen.
Dieser Anblick! Was für ein sich anbahnender Genuß! Erwachende Gier!

Aber, wie gesagt, Esel sind äußerst schnell lernende Tiere. Im Gegensatz zu Pferden. Aber
lassen wir das. Jedenfalls wußte ich, daß es törricht wäre, sofort nach dem ach
so wohlriechenden Gemüse zu schnappen. Der alte Bauer erwartet schließlich
etwas für seine Mohrrübe. Also zuerst etwas Süßholzraspeln! Sonst ist mein Herr
wieder enttäuscht! Und das heißt, für eine ganze Weile keine Mohrrüben mehr. In
diesem Fall war Süßholzraspeln gleichbedeutend mit sich streicheln lassen. Das
wußte ich bereits aus zuvor liegenden Begebenheiten. Na ja, ist ja halb so
schlimm. Wir Esel sind so etwas ja gewöhnt. Wer etwas haben will, muß dafür
schließlich auch etwas geben. So ist das nun einmal. Die Pfeife meines Herren
riecht unangenehm. Aber die Aussicht auf eine saftige Mohrrübe macht das wieder
mehr als wett. Wenn seine Hände nur nicht so rau wären! Der alte Mann arbeitet
zuviel! Er krault mich am Kinn. Das ist mir fast ein wenig unangenehm. Aber nur
nichts anmerken lassen ! Das ist ganz wichtig!

"Das gefällt dem Eselsche, hm, hm ?"

Was Esel für eine einzige Mohrrübe doch alles tun muß. Ja, für einen Außenstehenden ist so
etwas nur schwer vorzustellen. Sicher, man kann das ganze auch Erniederigung
nennen. Von mir aus. Aber welche Alternative bleibt mir schon? Eben....da ist
es besser, sich nicht so anzustellen. Es sei denn, man legt auf Luxus keinen
Wert. Aber, wie gesagt, ich stamme aus gutem Hause. Da hat man eben seine
Ansprüche. Aber wozu rechtfertige ich mich eigentlich? Wenn der moralisch ach
so integere Leser sich veranlasst fühlt, mich zu verurteilen, soll er es halt
tun.

Jedenfalls
ließ ich mich gestern eine ganze Weile von dem alten Bauern streicheln.
Irgendwann hatte er genug der Liebkosung, und streckte mir das heißersehnte
Gemüse mit folgenden Worten entgegen:

"Feine Mohrrübe für den kleinen Barnabas...."

Endlich war es soweit! Endlich! Er mußte mir die Gier angesehen haben...Jedenfalls vergaß
ich für einen kleinen Moment meine gute Erziehung und riess ihm das Gemüse aus
der Hand, um es in ein, zwei Bissen herunterzuwürgen. Was für ein Wohlgeschmack!
Köstlich!

Der alte Bauer machte in Anbetracht meines immensen Appetites ein glückliches Gesicht und lief in meine kleine Hütte, um dort den Futtertrog aufzufrischen. Das macht er so
gut wie jeden Tag. Die Sonne war indes nicht weniger geworden. Schatten tat
Not. Da die Hütte gerade von meinem Herren besetzt war, blieb mir nichts
anderes überig, als mit dem überdimensionalen, sicherlich uralten Apfelbaum
vorlieb zu nehmen. Dieser steht direkt neben meiner eigentlichen Behausung und
ist im Grunde ein ausgezeichneter Sonnenschutz. Sein einziger Nachteil sind
diejenigen Äpfel, welche ab und zu von selbst herunterfallen. Da muß man
vorsichtig sein !

Jedenfalls legte ich mich gestern unter besagten Baum und war auch alsbald eingeschlafen.
Ja, so schnell kann das gehen! Als ich wieder aufwachte, dämmerte es bereits.
Mein Herr war natürlich längst nach Hause gegangen. Der alte Barnabas kann sich
ja mit sich selbst beschäftigen! Esel kennen schließlich keine Langweile.


Ihr wollt wissen, wie es weitergeht ? Die vorliegende Geschichte ist über mehrere Teile angelegt. Sobald der erste Teil bei ciao.de 111 Lesungen von Mitgliedern erhalten hat, folgt die Fortsetzung. Soviel sei verraten, unserm schlappohrigen Freund stehen noch haarstrübende Abenteuer bevor. Die Illustration stammt von der Künstlerin Ocin9 (www.ocin9.blogspot.de) .

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